Ausgesprochen interessanter Spiegel-Online-Artikel (im Original hier hinter der Paywall). Der Artikel stützt sich auf eine Analyse des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und geht der von Merz und anderen Rechten gerne vorgebrachten Behauptung nach, der deutsche Sozialstaat sei in den letzten Jahren unkontrolliert aufgebläht worden. Verwendet werden Daten der OECD und der EU zu den Sozialausgaben der letzten zwei Jahrzehnte.
Die Analyse zeigt, dass die öffentlichen Sozialausgaben in Deutschland zwischen 2002 und 2022 preisbereinigt um moderate 26 Prozent gestiegen sind. Im Vergleich zu anderen Industrieländern ist dieser Anstieg relativ gering. Deutschland gibt zwar einen etwas höheren Anteil seines BIP für soziale Sicherung aus als einige nordische Länder, liegt aber unter dem Niveau von Ländern wie den USA und den Niederlanden. Insgesamt stützen die Daten nicht die Behauptung eines unkontrollierten Wachstums. Vielmehr ist die Entwicklung in Deutschland im Trend ähnlich wie in anderen europäischen Ländern.
Es wird auch darauf hingewiesen, dass sich die Struktur und die Definitionen von Sozialprogrammen von Land zu Land unterscheiden können, was direkte Vergleiche erschwert.
Nicht vergessen, 10% der Deutschen besitzen einen massiven Teil unseres Vermögens.
Bei so einer Verteilungskurve ist es nur menschlich, dass Sozialleistungen so groß sein müssen.
Das tolle an der Verteilung die “wir” geschaffen haben ist, dass diese Kurve sich ungefähr ähnlich auch in den oberen 10% so darstellt. Das heißt ungefähr jeder kann auf jemanden zeigen “aber die, die haben ja noch viel mehr als ich”. Das beruhigt einen selber sehr effektiv, man ist ja offensichtlich nicht pervers reich wenn jemand noch viel perverser reich ist. Und es funktioniert leidlich gut als Abwehrargument, denn niemand will jemandem etwas neiden, solange es noch jemanden gibt auf den man noch neidischen sein sollte.
Auf reddit nutzen die Amis das immer um CO2-Fußabdruck zu rechtfertigen. Klar, Taylor Swift ist so schlimm wie 1000 durchschnittliche Amis, aber es gibt auch gut 7 Milliarden Menschen, die sich umweltbewusster verhalten.
Hab leider nur ein Hochwähli.
So “groß”
Anstatt das mit Sozialleistungen für die Armen auszugleichen, wäre es natürlich besser dafür zu sorgen, dass die 1% und 10% nicht mehr so viel haben und der Staat das dann dem Volk zurück gibt.
Aber das wäre ja Kommunismus!!!
Wenn’s da einen Zusammenhang gäbe, wäre das nett. Gibt es aber nicht. Zunächst einmal: Das ist Vermögen und sagt erstmal wenig über die Lebensverhältnisse der Menschen aus. Z.b dürfte nach der Rechnung der ärmste Mensch in Deutschland jemand wie Anton Schlecker sein. Für ein großes negatives Vermögen muss man nämlich erstmal reich gewesen sein. Und zumindest Herr Schlecker lebt immer noch in einer netten Villa (die seiner Frau gehört).
Die Einkommensverteilung ist deutlich weniger dramatisch und hat sehr viel mehr damit zu tun, was Menschen im Alltag tun oder nicht tun können.
Das Blöde in Deutschland ist aber, dass Sozialleistungen zum allergrößten Teil von der Mittelschicht finanziert werden. Klar, wenn man Unternehmensteuern mitzählt und von Unternehmen mit Sitz in Deutschland ausgehen, zahlt auch die Oberschicht ca. 50% ihres Einkommens in Steuern und Abgaben, aber eigentlich sollten wir eine progressive Besteuerung haben.
Am Ende führt diese Kombination von im internationalen Vergleich relativ hohen Sozialleistungen und hohen Abgaben auf normale Arbeitgeber halt dazu, dass ärmerere Menschen bei einem Aufnehmen einer Arbeit zum Teil gut 90% ihres Lohnes in Form von wegfallenden Sozialleistungen wieder verlieren. Ich hätte gern eine Regel, die besagt dass dieser “Armensteuersatz” höchstens so hoch sein darf wie der Reichensteuersatz.
Kleine Frage: Was genau schränkt der “private Haushalt” hier ein?
Interessanter Artikel.
Was man noch hätte aufschlüsseln können: Die meisten Politiker, die sich über Sozialausgaben aufregen, zielen damit ja primär auf Sozialhilfe/Harz4/Bürgergeld ab. Die massiven Zuschüsse zum Rentensystem werden dabei gerne unterschlagen.
Ob das die Unions-Stammwähler gerne hören würden?Ja, wenn man die Renten rausrechnet, dann ist der Anstieg vermutlich minimal.
Und hier, liebe Zuschauer, sehen wir das Prinzip “Teile und Herrsche” bei der Arbeit.
Statt das wahre Problem, die zunehmenede Einkommens- und Vermögensungleichheit zu thematisieren, werden die verschiedenen Randgruppen, die alle darunter leiden, gegeneinander ausgespielt. “Die bösen Renten sind schuld, dass die anderen Sozialleistungen gekürzt werden müssen.” Nächste Runde heißt es wieder: “Die bösen Sozialleistungen sind schuld, dass die Renten gekürzt werden müssen.” Niemand wird jemals sagen: “Wir wollen Sozialausgaben kürzen, dass dieses Land ein Steuerparadies für Reiche bleibt.” Obwohl das das eigentliche Ziel ist.
Im Prinzip bin ich da bei dir.
Aber als derjenige, der hier die Rentner ins Spiel gebracht hat, möchte ich dazu sagen, dass ich weder jemandem “Schuld” an etwas gegeben, noch irgendwelche Kürzungen gefordert habe.Vielmehr sind es doch die Merze der Republik die ihren, zu einem großen Teil aus Rentnern bestehenden, Wählern einreden, dass unbedingt Sozialausgaben gekürzt werden müssen.
Es ist halt schon erwähnenswert, wenn die größte vom Sozialstaat unterstützte Gruppe dieser Anti-Sozialstaatsrhetorik begeistert hinterher läuft.Es ist halt schon erwähnenswert, wenn die größte vom Sozialstaat unterstützte Gruppe dieser Anti-Sozialstaatsrhetorik begeistert hinterher läuft.
Das ist ja der Trick hinter der “teile und herrsche”-Propaganda. Mit dem richtigen Framing kriegt man auch hin, dass die Rentner einen trotz Rentenkürzungen immer noch wählen, wenn man die Schuld dafür auf andere vom Sozialstaat abhängige Gruppen schiebt und bei denen auch noch kräftig genug kürzt.
Sicherlich.
Ist aber auch ganz gut im Hinterkopf zu haben, wenn der nächste CDUler mal wieder was von Bürgergeld schwadroniert und man den Sozialstaat im Haushalt zusammenkürzen müsse. Soll der doch seiner Wählergruppe erklären, dass er auch ihnen das Geld zusammenstreichen will.
Das muss man bei allen Parteien permanent im Hinterkopf haben. Denn die spielen dieses Spiel schon seit Jahrzehnten. Jede Bevölkerungsgruppe kommt da mal dran. Außer den Reichen, denn die würden dann vielleicht ihre nächste Parteispende überdenken.
Stimmt wohl, die anderen Parteien sind da auch nicht besser. Aber die Partei der christlichen Nächstenliebe viel mir da als allererstes ein.
Aber eine Gruppe (außer den Reichen) wird auch sicherlich nicht in nächster Zeit dran kommen: die, die jetzt schon in Rente sind oder sehr kurz davor stehen. Keine Partei würde den erzählen wollen, dass ihnen faulen Schmarotzern Geld gestrichen werden wird.
Das ist nicht ganz fair finde ich. Die Rente könnte sehr effektiv zum Umverteilungsinstrument innerhalb der Gesellschaftsschicht werden die einen großen Teil des Vermögens besitzt, ganz besonders wenn bald die Boomer in Rente gehen aber noch 20 Jahre auf ihrem Geld sitzen.
Generell die Renten kürzen zu wollen ist aber natürlich schwachsinn und genau das “Teile und Herrsche” das du meinst.
Was? Der so aufgeblähte Sozialstaat, der von allen relevanten Parteien seit Jahrzehnten aus rein ideologischen Gründen gekürzt und zusammengestrichen wird, wo es nur geht, ist gar nicht aufgebläht?
Es ist ja noch absurder:
Das Ergebnis: Die öffentlichen Sozialausgaben sind in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten moderat gewachsen. Von 2002 bis 2022 legten sie um 26 Prozent zu, wenn man die Inflation herausrechnet.
Der von allen Parteien aus rein ideologischen Gründen gekürzte Sozialstaat ist inflationsbereinigt um 26 Prozent gewachsen! Und er versagt halt trotzdem an kritischen Stellen.
Weil er in den vergangenen 40 Jahren so weit zusammengestrichen wurde, dass er nur noch versagen kann.
Wäre schön das Wachstum dann mal mit der Anzahl von verschiedenen Gruppen zu vergleichen die vom Sozialstaat profitieren (Rentner, Arbeitslose, Alleinerziehende und Eltern allgemein, vom Arbeitgeber zu schlecht bezahlte, Leute mit chronischen Krankheiten und/oder Behinderungen, Asylbewerber,…). Ich würde vermuten dass der Anstieg bei sehr anderen Gruppen liegt als es die Rechten und Reichen immer suggerieren.
Wahrscheinlich, aber auch eine solche sicherlich interessante Aufschlüsselung ist nur Wasser auf die Mühlen derer, die den Sozialstaat abschaffen wollen, denn sie lässt sich benutzen, um eben diese Gruppen gegeneinander auszuspielen.
Wichtiger und richtiger wäre es, jegliche Kürzungen im sozialen Bereich dem gleichzeitigen Vermögens- und Einkommenszuwachs der Reichen gegenüberzustellen.
Naia, der größte Teil sind Renten.
Keine Partei kann es sich leisten, agressiv gegen die Renten zu reden. Die Stimmungsmache von Rechtspopulisten spielt auch häufig Rentner als “gute” Sozialleistungsempfänger gegen Arbeitslose, Kranke und Asylsuchende aus.
Es wird versucht, Renten aus der Vorstellung von Sozialleistungen rauszunehmen, obwohl sie nichts anderes sind.
Nur so kann die Dissonanz aufrechterhalten werden.
Aggressiv gegen die Rente an sich geredet wird da nicht, aber da wird auch gerne gekürzt, am liebsten durch ständige Erhöhung des Rentenintrittsalters, oder indem man gezielt nur für zukünftige Rentner die Rente kürzt. Oder indem man die zukünftige gesetzliche Rente kürzt und als “Ausgleich” betrügerische private Zusatzrenten staatlich fördert. Und gerechtfertigt wird das schon gerne damit, dass ja die anderen Sozialausgaben so teuer sind, dass es keine Alternative zur Rentenkürzung gibt.
Für letzteres wäre es wahrscheinlich noch nicht mal notwendig Sozialsystem und normale Einkommen zu trennen. Eine einfache Gegenüberstellung von Reich und Rest würde dort (inflationsbereinigt) schon reichen um sehr deutlich zu sehen wer profitiert.
Wortwahl! Von diesem Sozialstaat “profitiert” man nicht. Das reicht zum Überleben, mehr aber nicht.
Wenn Du vom Staat profitieren willst, dann musst Du schon reicht genug sein, dass Dir Steuerschlupflöcher, Subventionen und Cum-Ex-Geschäfte Steuergelder in den Hintern blasen.
Und überleben statt nicht überleben ist kein Gewinn für dich? Nicht alles was mit dem Wortstamm profit anfängt bezieht sich auf Buchhaltung.
Ist schön so Fakten zu haben. Nur zu schade, dass es die welche die ganze Zeit das Gegenteil behaupten keine Scheiss auf Fakten geben. Es geht da nur um Gefühle.
Zusammengefasst:
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Ein inflationsbereinigter Anstieg der Sozialausgaben von 2002 bis 2022 um 26%, was im internationalen Vergleich niedrig ist.
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Insgesamt ein Anteil von Sozialausgaben (öffentlich (2022) und privat (2019)) an der Wirtschaftsleistung von 30,4%, damit im Vergleich auf Platz 6 von 16, hinter den USA.
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Eine Staatsquote (Anteil öffentlicher Ausgaben an der Wirtschaftsleistung) 2023 i.H.v. 48,2%, auf Platz 8 von 21, auf vergleichbarem Niveau mit anderen EU-Staaten.
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Dann ein Blick auf den Anteil staatlicher Beschäftigung (Stichwort ‘aufgeblähter Staatsdienst’). Deutschland liegt mit ca. 11% unter dem OECD-Durchschnitt von ca. 18%. Das Ergebnis ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die unterschiedlichen Definitionen der Länder diesbezüglich die Vergleichbarkeit einschränkt.
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abschließend das Fazit, dass von einem aufgeblähten Sozialstaat, zumindest die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte betrachtet, nicht die Rede sein kann. Einschränkend jedoch die Aussage, dass eine andere Frage sei, wie nachhaltig dieser Sozialstaat in Anbetracht der demographischen Entwicklung für die nahe Zukunft aufgestellt ist.
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deleted by creator
Schönes framing.
Anstelle zu schreiben:
Was tun wir als Gesellschaft um dir Teilhabe zu ermöglichen wenn es dir echt beschissen geht.
Schreibt der Spiegel was von blähen
Na komm, wenn hier unbedingt jeder Nichtsnutz genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und Klamotten haben will, wo soll dann die Kohle für Steuersenkungen, Lufthansa bailouts und Subventionen für Großindustrielle her kommen?! /s
Hattest mich in der ersten Hälfte. Nicht werde lügen xD